Prof. Dr. Oliver Jahraus, Vizepräsident der LMU München
Foto: GSBA

Zur Veranstaltung ist das Begleitheft entstanden, das Sie sich hier im PDF Format herunterladen können: Begleitheft

Zentrale Figur war die zeitweise in München lebende berühmte Schauspielerin Ida Roland, Gattin von Graf Richard Coudenhove-Kalergi, die eine treibende Kraft beim Aufbau der Paneuropa-Bewegung war. Auch Stephan Zweig, Bronislaw Hubermann, Franz Werfel oder Albert Einstein waren bereits ab den 1920er Jahren engagierte Unterstützer einer Europäischen Einigung.

Geleitwort

des Kooperationspartners der Ludwig-Maximilians-Universität München

Vizepräsident Prof. Dr. Oliver Jahraus

„Reden über“ ist eine Veranstaltungsreihe des Beauftragten der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, für Erinnerungsarbeit und geschichtliches Erbe, Herrn Staatsminister Dr. Ludwig Spaenle, MdL, und sie ist beheimatet an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Sie ist somit der Ausdruck einer einzigartigen Zusammenarbeit, bei der sich eine politische Initiative und ihre wissenschaftliche Reflexion auf wunderbare Weise treffen, um die entsprechenden Themen einem breiten Publikum nahezubringen.

Die Institution des „Reden über“ kannten schon die alten Griechen. Sie nannten es Parrhesia. Gemeint war der Umstand, dass ein Thema, das für die Polis als Gemeinschaft der Bürger von grundlegender Bedeutung war, auch einen Ort finden musste, an dem man es im gemeinsamen Austausch aufgreifen, besprechen, reflektieren konnte, mithin einen Ort, an dem man die Wahrheit aussprechen konnte. In das Aufgabenfeld des – kurz gesagt – Antisemitismus-Beauftragten der Staatsregierung fallen eine Fülle solcher Themen: Der Respekt vor der jüdischen Tradition und dem jüdischen Leben, die Wesentliches zu unserem Menschenbild beigetragen haben und beitragen, gehört dazu, ebenso wie – und das ist genau die andere Seite derselben Medaille – der Kampf gegen den Antisemitismus, weil der Antisemitismus die radikale Infragestellung nicht nur einer Ethnie oder eines Staates darstellt, sondern die Infragestellung unserer gesamten Polis, unserer Gesellschaft und ihrer freiheitlich-demokratisch-rechtstaatlichen Grundordnung. Insofern sind diese Themen und die „Reden über“ diese Themen politisch im eigentlichen Wortsinne. Darüber muss sich eine Gesellschaft verständigen, und insbesondere die Gesellschaft in Deutschland mit ihrer Verantwortung vor der Geschichte. Die Veranstaltungsreihe „Reden über“ bietet einen solchen ideellen Ort der Vermittlung und des Austausches. Auch unsere Universität trägt diese Verantwortung mit. Deswegen bietet die Universität, die Ludwig-Maximilians-Universität München, den konkreten Ort hierfür – normalerweise.

Am 6. Juli 2021 haben wir ein herausragendes Beispiel dieses Zusammenflusses eines politischen Themas mit seiner wissenschaftlichen, hier genauer: historischen Reflexion erleben können, als Dr. h.c. Bernd Posselt, MdEP a.D. über die jüdischen Wegbereiter der europäischen Einigung gesprochen hat. Nur an diesem Tag leider nicht an der Universität selbst, denn sie unterlag den strengen, staatlich vorgegebenen Corona-Regeln, die eine solche Veranstaltung an diesem Ort bedauerlicherweise nicht zugelassen haben. Der Verbundenheit der LMU München mit dieser Veranstaltungsreihe tut dies keinen Abbruch.

An diesem Abend war es nicht nur faszinierend zu hören, sondern auch ein bedenkenswerter Hinweis in Zeiten, in denen der Antisemitismus nach wie vor ein außerordentliches gesellschaftliches Problem darstellt, dass an den Anfängen einer Entwicklung, die zu unserer heutigen Europäischen Union geführt hat, auch zahlreiche jüdische Persönlichkeiten standen und sie maßgeblich mitgestaltet haben. Auch das gehört zur Wahrheit des heutigen Europas, über die man reden muss. Zentrale Figur war beispielsweise die zeitweise in München lebende berühmte Schauspielerin Ida Roland, Gattin von Graf Richard Coudenhove-Kalergi, die eine treibende Kraft beim Aufbau der Paneuropa-Bewegung war. Auch Stephan Zweig, Bronislaw Hubermann, Franz Werfel oder Albert Einstein waren bereits ab den 1920er Jahren engagierte Unterstützer einer Europäischen Einigung. Bernd Posselt hat uns an diesem Abend auf eine faszinierende und zum Teil auch erstaunliche Reise in die kulturelle und politische Geschichte der europäischen Idee mitgenommen. Es ist ein Glücksfall, dass seine spannenden Ausführungen in dieser Publikation dokumentiert werden. Sie ist zugleich ein Dokument für die Zusammenarbeit des Antisemitismus-Beauftragten und der Ludwig-Maximilians- Universität München.

Die Aufzeichnung zur Veranstaltung finden Sie in unserer Mediathek hier…